PURNA Yogaschule
Boris Tatzky

FACHTEXTE

BORIS TATZKY: PADMASANA

Boris TatzkyVizepräsident des französischen Berufsverbandes der Yogalehrenden (FNEY), Mitglied des Ausbildungsbeirates, Leiter der Ècole Française de Yoga de L’Énergie de Sud-Est, Gründer der Scuola Italiana sowie der Deutschen Akademie des Yoga der Energie. Er ist regelmäßig als Referent des Studienzentrums Yoga der Energie und der Purna Yogaschule von Agathe Bretschneider in Süddeutschland tätig.

Mit seinem Engagement möchte er den Hatha-Yoga dem westlichen Schüler in seiner ganzen Bedeutung verständlich und erfahrbar machen.

Veröffentlichung: „Theorie und Praxis des Hatha-Yoga“ (Verlag Via Nova, ISBN 3-928632-15-9)

Der vorliegende Beitrag ist dem Buch „Postures de L’Assise“ (Sitzhaltungen) entnommen (hrsg. Vom französischen Berufsverband der Yogalehrenden, Revue Française de Yoga n° 22, Edition FNEY, Paris)

Web-Seite zu seinen Schulen in Frankreich: www.conservatoire-du-yoga.net

Übertragung in Deutsche:

Agathe Bretschneider, Yogalehrerin BDY/EYU, Leiterin und Ausbilderin der Purna-Yogaschule Olching, Schülerin von Boris Tatzky

MEDITATION – DIE SITZHALTUNG

PADMASANA : SYMBOLIK UND PRAXIS

“Dies wird die Haltung des Lotos (padmâsana) genannt, die alle Krankheiten zerstört. Von gewöhnlichen Menschen kann sie nicht erlangt werden. Sie ist nur für die Weisen in dieser Welt erreichbar.”

Hatha-Yoga Pradîpikâ. I.47.

Warum behauptet Svatmarama, der Autor des Textes der Hatha-Yoga Pradîpikâ, dass die Sitzhaltung im Lotus nur von den Weisen verwirklicht werden könne? Wir könnten darüber erstaunt sein, da in der Epoche, in der die Hatha-Yoga Pradîpikâ verfasst wurde (etwa im XV. Jahrhundert), die Menschen in Indien viel Zeit auf dem Boden sitzend verbrachten und so aßen, lernten, redeten, etc.

Durch regelmäßige körperliche Betätigung konnten die meisten die Lotushaltung ohne Probleme einnehmen. Ganz offensichtlich, möchte der Autor uns also ein anderes Verständnis von padmâsana vermitteln.

Die Sitzhaltung sollte nicht als einfache Körpertechnik angesehen werden. Obwohl sie die Krönung der verschiedenen Haltungen des Hatha-Yoga ist, wird durch sie eher eine innere Haltung vollzogen, die auf die Verwirklichung des Zustandes des Yoga vorbereitet. Sie stellt einen Idealzustand dar, in dem die Fähigkeiten sowohl der Achtsamkeit als auch des Loslassens verwirklicht werden, und dem kann sich tatsächlich nur der Weise annähern. „Die innere Sitzhaltung“ kann nur verwirklichen, wer sich nicht mehr mit Anstrengung um das Sitzen bemüht. Diese Verinnerlichung ist von grundlegender Bedeutung. Die Körperhaltung fördert sie natürlich, denn Yoga trennt nicht den Körper und das Spirituelle, sondern stellt sie in eine hierarchische Ordnung.

Der Sitz mit aufgerichteter Wirbelsäule ist eine wache Ruhehaltung des gesamten Körpers. Über den Yoga hinaus wurde er zum Sinnbild der Haltung des Erwachens und der Weisheit.

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Der Sitz ist sicherlich in den meisten in Indien entstandenen Philosophien und Religionen das klassischste Symbol der inneren Fülle. Man findet ihn vor allem im Hinduismus1, dem Buddhismus, der Jain-Religion sowie bei den Sikhs und den Parsen, ebenfalls im japanischen Zen und dem Tao in China.

Betrachten wir nun, was der Sitzhaltung ganz speziell im Hatha-Yoga eine derart herausragende Stellung verleiht.

In erster Linie ermöglicht die Sitzhaltung mit verschränkten Beinen ein perfektes Gleichgewicht in der vertikalen Aufrichtung der Wirbelsäule. Als zweites scheint das lange bewegungslose Halten in dieser Position auf das Bewusstsein zu wirken hin zu einer Aufhebung der Zeit. Sie fördert das Anhalten der gewohnten mentalen Konditionierungen und Schemata. Deshalb hat sich diese Sitzhaltung als Schlüsselhaltung für die Meditation durchgesetzt.

Die Stille und Stabilität des ruhigen und lange gehaltenen Sitzes verändert wie durch Zauber die mentale Aktivität.

Im Gegensatz dazu wäre gleichermaßen für die Meditation geeignete mentale Haltung im Stand wegen des langen regungslosen Stehens zu anstrengend. Eine lange Ruhehaltung in der Rückenlage dagegen erhöht die Gefahr der Schläfrigkeit.

Im Hatha-Yoga wird die Sitzhaltung vor allem auf der Ebene der Energie gepriesen. Dies bestätigt sich in der symbolischen Aussage der Lotushaltung, padmâsana.

DIE SYMBOLIK DES LOTUS


Die Wahl des Namens „Lotus“ für diese Haltung mit überkreuzten Beinen ist sicherlich nicht zufällig. Tatsächlich ist die Lotusblüte in Indien ein weit verbreitetes Symbol.

Als Pflanze aus der Familie der uns mehr vertrauten Seerosen liegt ihre Besonderheit darin, dass sie allein steht, nur eine einzige Blüte hervorbringt. Wie die meisten anderen Blumen ist sie Zwitter, das heißt die weiblichen und männlichen Energien bestehen in ihrem Inneren nebeneinander.

Die verschiedenen Elemente dieser Blume werden oft mit Symbolen zum Prozess der spirituellen Entwicklung verbunden.

Das Samenkorn repräsentiert die Urform aus der wir hervorgehen sowie die unbewussten, unser Leben bestimmenden Kräfte des Karma. Die Knospe steht für die Geburt in einen Körper oder eine bestimmte Form. Sie versinnbildlicht auch die spirituelle Geburt. Die Blüte ist Symbol der Reinheit, der Schönheit und der spirituellen Entfaltung.

Die Unsterblichkeit und der Kreislauf der Wiedergeburten werden durch die fortwährende Aufeinanderfolge von Samen, Knospe, Blüte, neuer Samen etc. symbolisiert.

Diese prachtvolle Blume ist ein Bild der Einheit, sie bietet sich als wunderbare Metapher für den Hatha-Yoga an.

Der Lotus verbindet auch die Dunkelheit mit dem Licht. In der Tat sind ihre Wurzeln im Schlamm, in der Dunkelheit vergraben. Aus diesen Wurzeln richtet sich der Stiel durch das Element Wasser auf, um eine Blume zu tragen, die im Feuer der Sonne, dem Licht im Raum, aufblüht.

Der Lotus vereinigt somit alle Elemente: fest, flüssig, gasförmig, feurig und Raum.

Die Analogien mit dem in dieser Haltung sitzenden Körper des Yogi erscheinen uns offensichtlich. Die Wurzeln befinden sich unten im Körper, das heißt im Bereich der Verdauungsorgane, im Genital- und Analbereich. Sie stellen unseren unbewussten Aspekt dar, tief vergraben, pulsierend, aber auch das Prinzip unseres Ursprungs, unserer Basis. Das dort lokalisierte Energiezentrum wird tatsächlich mûlâdhâra „die Stütze der Wurzel“ genannt. (In Sanskrit bedeutet mûla „Wurzel“ und adhâra die „Stütze“).

Die Wurzeln versenken sich tief, um die Energie „von unten“ zu schöpfen, die Energie der Erde ist der Energie âpana im unteren Bereich des Körpers ähnlich². (²Prashna Upanishad III.5)

Aus dem Wurzelbereich richtet sich der Stiel vertikal auf und stellt die Wirbelsäule dar. Das nach oben Fließen des Saftes erinnert ganz offensichtlich an das Aufsteigen der Kundalinî (der Bewusstseins-Energie) vom Unbewussten bis zum Licht, zum Erwachen des vollkommenen Bewusstseins.

Die Blüte entspricht dem Kopf und dem Erwachen zur spirituellen Dimension, dem reinen Bewusstsein, (das nach oben gerichtet ist, genauso wie die Energie prâna sich im oberen Bereich des Körpers befindet². (Abbildung 3)

Bild 3

All dies symbolisiert die Integration der Energien des Menschen, von den dichtesten bis zu den subtilsten Aspekten. Das bedeutet, dass wir auf unserem spirituellen Weg auch unsere Wurzeln in jeglichem symbolischen Sinn integrieren müssen. Sonst laufen wir Gefahr in eine Zersplitterung, eine innere Spaltung zurückzufallen. Außerdem bindet die Lotushaltung mit dieser spezifischen Position der Beine den unteren Teil des Körpers, wodurch die Energie in wunderbarer Weise von der Wurzel (apâna) in den oberen Bereich des Körpers gerichtet wird. Mit der gut aufgerichteten Wirbelsäule wird der Scheitel des Kopfes zur Antenne, die die Energie von oben (prâna) empfängt. (Bestätigung Hatha-Yoga Pradîpikâ. I.48).

Indem nun durch die Bewegungslosigkeit, durch das Verlangsamen des Kreislaufes in den unteren, stabil positionierten Gliedmaßen die Energie sparsam verbraucht wird, verbindet der Übende die Energien des inneren Bewusstseins mit seiner physischen und spirituellen Realität. Die Bewegung dieser Energien in der Wirbelsäule wird durch die Kontrolle des Atems erleichtert, die in korrekter Weise von den bandha (den Fixierungen) als auch von entsprechenden Konzentrationen begleitet wird.

Vergessen wir nicht, dass Lotus in den Hatha-Yoga-Texten auch die Bezeichnung für die Orte (chakra) der Bewusstseins-Energie ist. Diese liegen entlang der vertikalen Achse des Menschen ausgehend von Mûlâdhâra-chakra, der Stütze der Wurzel bis Sahasrâra, dem „tausendblättrigen Lotus“, das sich am Scheitel des Kopfes befindet und Symbol für das ist, was keine Grenzen kennt.

Diese sieben Lotusblüten (chakra) stehen für die sieben Ebenen der Ausdruckform der Bewusstseins-Energie³. „Dieser Aufstieg der Energie, der die weiblich/männlichen Polaritäten vom Basislotus bis zum Kronenlotus transzendiert, drückt das spirituelle Erwachen aus.“4 (Der von Roger Clerc vermittelte Yoga der Energie nimmt diese Tradition auf und passt dabei die Pädagogik an das westliche Leben an).5

DIE EINHEIT DER KRAFT – HATHA YOGA

„Man nehme padmâsana sehr fest ein, lege die Hände zur Schale zusammen und drücke das Kinn fest auf die Brust; und betrachte dabei DAS im Herzen. Immer und immer wieder soll man die Energie apâna vâyu nach oben drücken und die eingeatmete Energie prâna vâyu nach unten drücken. Wer dies in Vollkommenheit durchführt, erlangt durch die Macht der Shakti unvergleichliches Erwachen“.

Hatha-Yoga Pradîpikâ. I.48

Wir haben gesehen, dass die Wirbelsäule als Ort des Aufsteigens der Kundalinî betrachtet wird, (die reine Energie, die nichts als vollkommenes Bewusstsein ist, Hatha-Yoga Pradîpikâ. IV.64).

Im Hatha-Yoga ist die Dehnung der Wirbelsäule von so großer Bedeutung, da sie oft mit dem Erwachen der Energiezirkulation von der Basis bis zum Scheitel des Kopfes, bzw. dem Kreuz- und Steißbein bis zum Os occipitale (Hinterhauptsbein), in Verbindung gebracht wird. Unter anderem finden wir dies in der Beschreibung von paschimottanâsana (Hatha-Yoga Pradîpikâ I. 28/29) und in maha mudrâ (Hatha-Yoga Pradîpikâ III.10) bestätigt.

Diese Stimulation der Vitalenergie soll natürlich das Erwachen einer größeren Bewusstseinsfähigkeit fördern. Tatsächlich sind Energie und Bewusstsein eng miteinander verbunden (Hatha-Yoga Pradîpikâ IV.24).

Für den Yogi, der unbeweglich in Meditation sitzt, sind die Polaritäten links / weiblich (Mond) und rechts / männlich (Sonne) im zentralen Bewusstsein der Wirbelsäule aufgelöst.

In diesem Zusammenhang kann man dann „Yoga“ im Sinn von Einheit übersetzen und „Hatha“ mit Kraft, wobei HA das Symbol der Sonne und THA das Symbol des Mondes ist. Hatha-Yoga versteht sich also als Einheit der polarisierten Energien Sonne/Mond oder als die Einheit der Kraft, der bewussten Energie. Dies birgt in sich das Geheimnis einer inneren Alchemie zwischen dem individuellen, bruchstückhaften und bewegten Bewusstsein und dem Seins-Bewusstsein, der Einheit ohne Anfang und ohne Ende.

Wie die Vijnâna Bhairava Tantra aufzeigt, öffnet einzig und allein die aus der Meditation hervorgehende intuitive Intelligenz die Türen zu diesem im Herzen enthaltenen Geheimnis. Und dieses ist im Herzen von jedem von uns.

TECHNIK

Die Lotushaltung, padmâsana, ist für viele Übende schwierig auszuführen. Sie kann für die Knie gefährlich sein und muss unbedingt gut vorbereitet werden.

1. Varianten

Der Sitz mit aufrechter Wirbelsäule kann in verschiedenen Varianten durchgeführt werden, die eine dem Lotussitz vergleichbare Wirkung haben.

Einige seien hier aufgeführt: Die Haltungen im halben Lotus; der perfekte Sitz; der Schneidersitz; der Diamantsitz; die Gurthaltung; oder selbst mit aufgerichtetem Rücken auf dem Stuhl sitzend.

Für alle Varianten gelten dieselben wesentlichen Merkmale:

· Stabiles Becken, gleiches Gewicht auf beiden Sitzbeinen.

· Leichter Druck des Beckens zum Boden, um ein Gefühl der Verwurzelung wahrzunehmen.

· Beide Knie sind in gleicher Höhe.

· Die Wirbelsäule ist vertikal aufgerichtet, der Lendenbereich leicht aus dem Hohlkreuz genommen.

· Die Schultern und Schulterblätter sind gesenkt.

· Der Kopf ist gerade aufgerichtet, das Gesicht heiter.

· Der Nacken ist etwas zurückgenommen, leicht gedehnt und entspannt, ohne Spannungen im Hals

· Der Scheitel des Kopfes wird nach oben gedehnt

· Die gesamte Haltung ist bewegungslos, ohne Steifheit und ohne Spannungen, um sie im Gleichgewicht zu halten.

Es geht auf jeden Fall darum, ohne Bewegung, sehr wach und über eine längere Zeitdauer mühelos zu verweilen. Da diese achtsame Mühelosigkeit absolut notwendig ist, muss der Übende unbedingt eine Variante des Sitzes wählen, in der der Körper wirklich in einer Ruhehaltung ist. Zum Beispiel wird die angenehme und erholsame Gurthaltung von Yogis gewählt, die sich für eine lange Meditationsdauer einrichten wollen.

Traditionell wird dazu ein Stoffgürtel verwendet, der sowohl den unteren Rücken als auch die Knie stützt.

Bild 4: YOGA PATTÂSANA

Wenn kein Gurt vorhanden ist, kann man die Knie mit den angewinkelten Armbeugen umfassen und so einen bequemen Sitz einnehmen, der keine Gefahr für die Knie darstellt und für den Rücken entlastend ist.

Bild 5 Bild 6

2. Vorbereitung

Die Qualität der Sitzhaltung hängt zu einem großen Ausmaß von der Vorbereitung ab. Diese ist extrem wichtig, vor allem um Sekundärrisiken eines lange gehaltenen Sitzes zu vermeiden. Dazu gibt es folgende Möglichkeiten:

· Entweder durch eine Reihe von gut gewählten statischen Haltungen (âsana).

· Oder durch Bewegungsabfolgen, die mit dem Atem koordiniert werden (karana).

Im Yoga der Energie bevorzugen wir die Vorbereitung der Bewegungslosigkeit durch geeignete Bewegungsfolgen. Deren Ziel ist es, die Schwierigkeiten, die während der Haltung mit vertikaler, fest und stabil gehaltener Wirbelsäule auftauchen können, zu beseitigen. Sie bereiten auch die Gelenke der unteren Gliedmaßen auf die fordernde Haltung vor.

Schließlich und endlich verbessern sie die Zirkulation der Vitalenergie vom Becken bis zum Scheitel des Kopfes.

Ein Beispiel einer Bewegungsfolge wurde bereits vorgestellt:

· Ashta Karana – „Die 8 grundlegenden Bewegungen der Wirbelsäule“ (siehe DYF 3/04, 4/04)

· Ein weiterer möglicher Bewegungsablauf wird im Sitzen durchgeführt.

MEDITATION IM SITZ – MEDITATION DER ENERGIE

Nachdem alle Vorbereitungen ausreichend und korrekt ausgeführt wurden, können wir einen ruhigen Sitz einnehmen; der den oben genannten Hauptkriterien entspricht.

Nur so kann die mentale Aktivität zu feineren inneren Wahrnehmungen hin ausgerichtet werden.

Der Sitz muss als Ruhehaltung mit aufrechter Wirbelsäule über lange Zeit bewegungslos und ohne Anstrengung gehalten werden können.

Dies entspricht der berühmten Definition des Sitzes in den Yoga Sûtra von Patanjali: „Sthira sukham âsanam“. (II. 46 und 47)

  • Asana bezeichnet den Sitz.
  • Sthira kann mit fest, stabil, bewegungslos übersetzt werden.
  • Sukha wird allgemein mit angenehm, mit Wohlbefinden, leicht, sanft übersetzt.

Diese beiden Werte beschreiben die physische und die mentale Haltung, die im Sitz vorherrschen. Es geht also darum, fest und bewegungslos zu verweilen, wobei man sich im Körper angenehm und wohl fühlen soll. Die Aufmerksamkeit hält die ganze Zeit an, aber gleichzeitig entspannt der Geist: es geht um eine Achtsamkeit ohne Anspannung. Dies auszuführen ist bereits Meditation, ruhig und in Frieden.

Vielleicht ist es nicht nötig hier noch irgendetwas hinzuzufügen oder zu unterbinden, diese klare innere Haltung führt zum Kern der inneren Erfahrung der Meditation.

Doch die Einfachheit ist nicht immer der Weg, der unser so instabiles Mentales am besten fixiert. Wir benötigen oft die Hilfe von Tricks auf einem langen Weg durch unsere inneren Hindernisse, um wirkliche Stabilität im Loslassen zu erreichen.

Der Hatha-Yoga schlägt der Weg der Energie vor, Atem und Bewusstsein, um den Zustand der Einheit zu erreichen. Die Konzentrationstechniken sind machtvolle Hilfsmittel, aber eben nur Hilfsmittel, die auch eines Tages überwunden werden müssen. Bis dahin sind sie uns jedoch wertvoll um uns in die Verinnerlichung zu führen. Nachfolgend wird eine Konzentrationstechnik als Beispiel beschrieben, die den Zustand der Meditation fördern kann. Sie richtet sich an erfahrene Übende mit mindestens fünf Jahren regelmäßiger Hatha-Yoga-Praxis:

Nimm einen Sitz ein, in dem das Gleichgewicht sthira/sukha am besten möglich ist.

Dann entspanne den Blick hinter den geschlossenen Augenlidern.

Richte die Aufmerksamkeit in den vertikalen inneren Raum vom Wurzelbereich (mûlâdhâra) bis zum Scheitel des Kopfes (Sahasrâra).

Zunächst beobachte einfach den Atem in diesem Raum, ohne ihn willentlich zu verändern.

Verwirkliche einen Zustand des wachen Zeugen über den natürlichen Atem.

Sehr langsam und sanft verbessere dann die Qualität des Atems.

Die Atemqualität umfasst drei Merkmale:

  • Man atmet ein klein wenig langsamer, mit einem etwas größeren Volumen und vor allem sehr gleichmäßig.
  • Eventuelle Stockungen und Unregelmäßigkeiten beim Ein- oder Ausatmen werden durch eine ständig sich vertiefende Entspannung während der Übung verringert.
  • „Der Atem muss immer feiner werden.“ (Yoga Sûtra von Patanjali, II.50)

Wenn der Atem sehr subtil, lang, und gleichmäßig geworden ist, beginnen wir mit der Konzentration auf die Energie.

Wir können nun mental auf unseren inneren Raum einwirken, indem wir den feinen Atem mit der mentalen Konzentration in Einklang bringen. Zum Beispiel geht die Aufmerksamkeit mit jeder sehr sanftes Einatmung nach unten in den Wurzelbereich am Ende der Wirbelsäule in die Anal- und Genitalregion (mûlâdhâra).

Am Ende der Einatmung, entsteht eine Atempause, die so lange gehalten wird wie sie angenehm ist. Diese Atemverhaltung wird begleitet von Mûla bandha (Anziehen von Anal-, Urinalschließmuskulatur und Damm) und Jâlandhara bandha (Senken des Kinns zur Kehle und Dehnung des Nackens).

Während der Atempause wird die mentale Konzentration in Mûlâdhâra gehalten.

Mit einer sehr langsamen und sanften Ausatmung gehen wir mental in der inneren Achse nach oben bis zum Scheitel des Kopfes (Sahasrâra), was dem Aufsteigen der Apana Energie entspricht. Während der Ausatmung wird Jâlandhara bandha gelöst, aber Mûla bandha wird in ohne Anstrengung gehalten. (Es sei darauf hingewiesen, dass ein korrektes Erlernen dieser Techniken unter Berücksichtigung möglicher Kontraindikationen nur unter persönlicher Anleitung eines Lehrers möglich ist.)

Am Ende der Ausatmung verweilen wir so lange es angenehm ist in vollkommener Entspannung in Sahasrâra. Mûla bandha wird hier losgelassen.

Bevor der nächste Einatem nötig wird und immer noch in aller Ruhe, atmen wir wieder lange und sanft ein, wobei wir mental nach unten zu Mûlâdhâra gehen (dies entspricht dem Absteigen der Energie Prâna).

In dieser Weise wird die Übung fortgeführt, in der Achtsamkeit und Sensibilität für die inneren Reaktionen.

Wenn man beenden will, atmet man abschließend in der Mitte des Brustraumes aus.

Wir verweilen ohne Bewegung in der inneren Kontemplation in der Mitte der Brust (Anâhata). Hier beginnt die Meditation. In dieser Meditation bekommt der achtsame Sitz seinen Sinn als Schule der Weisheit.

Der innere Raum des Herzens ist der Ort der Versöhnung der Energien und aller Gegensätze. Er ist der Ort der Einheit im besonderen Sinn.

„Die Sinne im Raum des Herzens zur Ruhe gebracht, der Geist gleichmütig gegenüber allen anderen Dingen, wer ins Zentrum der Lotusschale gelangt, erreicht die höchste Gnade.“

Vijnâna Bhaïrava Tantra (Vers 49)

ZUSAMMENFASSUNG

Wenn der Mensch sein tägliches Leben symbolisieren will, stellt er sich oft in einer aktiven Haltung dar. Schon die prähistorischen Felsmalereien zeigten die Menschen stehend, laufend bei der Jagd.

Die gleiche Haltung wird heute in zahlreichen Werbespots verwendet. Der Mensch rennt hinter allen möglichen Konsumartikeln her, seien es Lebensmittel, technologische Geräte etc.

Die Hatha Yogis schlagen vor, dieses nach außen gerichtete Rennen für einen Moment anzuhalten. Sie zeigen eine innere, revolutionäre Suche auf. Das Ziel ist die Essenz des Lebens selbst, die von den Poeten und Mystikern besungene Fülle.

Für diesen schwer zu erringenden Sieg über sich selbst ist der bewegungslose Sitz, der alle Energien nach oben streben lässt, eine außerordentlich wertvolle Hilfe.

Wer es mit Geduld und beharrlicher Übung schafft, sich den Sitz mit Hilfe des Hatha-Yoga vertraut zu machen um still, entspannt und friedvoll zu verweilen, geht von Entdeckung zu Entdeckung. Er erkennt, dass die bewegungslos „sitzende Energie“ die Türen für das innere Bewusstsein öffnet. Mehr noch, er spürt wie sich ein neues Vertrauen in die Suche nach dem Sinn entfaltet. Daraus entsteht eine größere innere Festigkeit und eine Öffnung für die Ahnung von der Einheit der Welt.“

Der Sitz ist eine Kunst um vom Profanen zum Heiligen zu gelangen.

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